Juli 2025

In unserer Arbeit mit psychisch kranken Menschen stoßen wir täglich an Grenzen in Bezug auf eine adäquate und zeitnahe medizinische Versorgung Betroffener durch Fachärzte für Psychiatrie/Psychotherapie und Neurologie und andererseits Ärzte, welche die Opiatsubstitution durchführen.

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Die Lage bei den niedergelassenen Psychiatern im Kreis Bernkastel-Wittlich

Dr. Bales-Mann in Wittlich, Facharzt für Psychiatrie hat auf seiner Homepage folgende Information: „Die regionale psychiatrisch-fachärztliche Versorgungssituation bleibt leider auf absehbare Zeit sehr schwierig. Es besteht ein erheblicher Ärztemangel, wodurch unsere Praxis mehr als ausgelastet ist. Hieraus resultieren u.a. erhöhte Wartezeiten für Patienten. Leider müssen wir für Teilbereiche der Versorgung die Behandlung sogar ablehnen. Ansonsten teilen wir die uns zur Verfügung stehenden Ressourcen nach dem Grundsatz der Gleichbehandlung zu.

Diese schwierige Versorgungssituation bedauern wir sehr. Dass hierdurch für Patienten oftmals eine wenig befriedigende Situation entsteht, ist verständlich. Ein Bedrängen am Telefon ist aber für uns nicht akzeptabel!“

Alle anderen Ärzte werden in absehbarer Zeit das Rentenalter erreichen:

Online-Terminbuchungen bei Dr. Risse in Traben-Trarbach, Facharzt für Neurologie und Psychiatrie sind aufgrund der hohen Nachfrage nicht mehr möglich. Eine telefonische Terminvereinbarung kann Mo, Di, Do und Fr. zwischen 09:00 – 10:00 Uhr erfolgen, in dieser Zeit ist das Telefon aber meist belegt, wie Klienten schildern.

Die Nachfrage bei Dr. Wittkop in Wittlich hat ergeben, dass aktuell eine Wartezeit von bis zu 6 Monaten für Neupatienten besteht. Patienten mit akutem Behandlungsbedarf sollen sich an die Psychiatrieambulanz im Krankenhaus Bernkastel-Kues wenden.

Eine ambulante psychiatrische Versorgung in der Institutsambulanz der Psychiatrischen Abteilung im Krankenhaus Bernkastel-Kues ist aktuell auf Nachfrage nur für Bestandspatienten und schwer kranke Patienten nach stationärem/ teilstationärem Aufenthalt möglich. Für Neuaufnahmen besteht aufgrund des Personalmangel keine Kapazität.

Die Praxis Dr. Nitzsche ist bereits seit 2020 eine ausschließlich privatärztliche Praxis. Desgleichen bei Dr. Ohlmann. Darüber hinaus gibt es kein psychiatrisches und neurologisches Angebot im Kreis.

Die Lage der Opiatsubstitution im Kreis Bernkastel-Wittlich

Die Substitution ist eine seit Jahren anerkannte Behandlungsform bei Opiat- abhängigkeit. Zu ihren in zahlreichen Forschungsarbeiten belegten positiven Wirkungen und Eigenschaften gehören unter anderem:

> Reduktion des illegalen Heroinkonsums

> Senkung der Zahl drogenkonsumbedingter Todesfälle

> soziale und gesundheitliche Stabilisierung

> Integration in den Arbeitsmarkt

> Verringerung der Kriminalität

> Reduktion der Zahl erneuter Inhaftierungen

> Verringerung der HEP- und HIV-Übertragungsrate

Dr. Goldbecker in Hetzerath ist aktuell der einzige Substitutionsarzt im Kreis Bernkastel-Wittlich. Bis Anfang 2024 hatte er seine Praxis in Trier-Ehrang und hat den Patientenstamm der Substituierten mitgenommen.

Er hat einen Aufnahmestopp für neue Patienten und führt eine Warteliste.

Im Krankenhaus Gerolstein ist die Substitution noch bis Februar 2026 (Renteneintritt von Dr. Thielscher) möglich. Ob dessen Nachfolger/in diese Arbeit übernehmen kann/will, ist unklar. Er bietet Außensprechstunden in Bitburg und Trier an. Herr Dr. Thielscher versucht in dringenden Fällen immer einen kurzfristigen Einstieg ins Programm zu ermöglichen. Die Patienten müssen anfangs einmal wöchentlich, später alle zwei Wochen in der Praxis erscheinen. Die Vergabe des Substituts erfolgt über Apotheken. Dr. Thielscher berichtet, dass 2/3 seiner Substitutionspatienten in einem Arbeitsverhältnis stehen. Oft hat dieser Personenkreis keinen Führerschein und ist auf öffentliche Verkehrsmittel angewiesen.

Vereinzelt fahren Opiatabhängige bis zur Substitutionsambulanz nach Koblenz und nehmen auf sich dort in den ersten Wochen der Behandlung täglich zu erscheinen.

Seit 10 Jahren gibt es in unserem Kreis kein ausreichendes Behandlungsangebot für Opiatabhängige.

Zahlreiche Gespräche mit dem Gesundheitsamt Wittlich, der Psychiatrischen Abteilung des Verbundkrankenhauses in Bernkastel-Kues, niedergelassenen Ärzten und der Kassenärztlichen Vereinigung haben leider zu keiner Veränderung geführt.

Vorschläge unsererseits die Substitution im Gesundheitsamt oder der Psychiatrie in Bernkastel-Kues anzugliedern wurden von den beiden Institutionen mit Verweis auf Personalmangel und fehlende Kapazitäten abgelehnt.

Versorgungsmangel im Kreis Bernkastel-Wittlich

Der Versorgungsmangel für von psychischen Erkrankungen Betroffener und Opiatsubstituierter entsteht

  • durch fehlende Fachärzte für Psychiatrie und Neurologie.

und

  • durch die fehlende Bereitschaft der niedergelassenen Ärzte sich in suchtmedizinischer Grundversorgung fortzubilden und die Opiatsubstitution in den bestehenden Praxen anzubieten.

Daraus ergeben sich folgende Forderungen:

Das gezielte Anwerben von Ärzten aus Drittstaaten, die Gewinnung von Weiterbildungsassistenten, sowie die Unterstützung der Praxisphasen der Medizinstudenten*innen sollte unbedingt umgehend auf Fachärzte für Psychiatrie und Neurologie ausgedehnt werden.

Dazu muß der Fachbereich Kreisentwicklung mit Schwerpunkt Medizinische Versorgung im ländlichen Raum monetär, personell und inhaltlich ausgebaut werden. Die wichtige und hochwertige Arbeit im Rahmen des Projektes „Gesundheit mitEINANDER Zukunft“ soll intensiviert und auf o.g. Facharztgruppen ausgeweitet werden.

Ein Medizinisches Versorgungszentrum (MVZ) für den Bereich Psychiatrie und Neurologie sollte initiiert werden, z.B. angegliedert an die vorhandene stationäre Psychiatrie/Neurologie.

Die Praxis zeigt, dass Ärzte eher für diese Form der Niederlassung zu gewinnen sind als für eine Praxis in selbständiger Führung.

Sollte dies politisch gewünscht sein, muss dieses Modell finanziell gefördert werden.

Ein Ausbau des Angebotes der Opiatsubstitution ist dringend erforderlich. Die aktuelle Versorgung ist nicht bedarfsgerecht.

Um zu substituieren muss der Arzt eine Fortbildung „Suchtmedizinische Grundversorgung“ mit 50 Unterrichtseinheiten absolvieren. Der Erwerb dieser Qualifikation muss attraktiver gestaltet werden, z.B. durch Übernahme der Fortbildungskosten und einen monetären Ausgleich des Zeitaufwands.

Ärzte die die Substitutionsbehandlung nicht in ihrer Hausarztpraxis durchführen möchten sollte die Kassenärztliche Vereinigung Räumlichkeiten zur Verfügung stellen. Hier bieten sich die Bereitschaftsdienstzentralen der Kassenärztlichen Vereinigung an, die flächendeckend vorhanden und bereits ausgestattet sind.

Die Fachkunde im Bereich suchtmedizinischer Grundversorgung muss fester Bestandteil der Facharztausbildung Allgemeinmedizin werden. Süchtiges Verhalten ist in der Gesellschaft weit verbreitet und Suchtmittelgebrauchende erscheinen tagtäglich in den Hausarztpraxen.

Bisher erhalten nur Ärzte mit der bestandenen Facharztprüfung Psychiatrie und Psychotherapie automatisch die Fachkunde der suchtmedizinischen Versorgung.

Das Gesundheitsministerium und die Kassenärztlichen Vereinigungen sollten gezielt die Ausbildung zum Physician Assistant bewerben und auch finanziell fördern.

Physician Assistants können Haus- und Facharztpraxen in der ambulanten Versorgung unterstützen, Ärzte entlasten und damit zum Abbau von Wartezeiten beitragen. Hier sollte geprüft werden, inwieweit der Studiengang mit aktuell sechs Semestern bis zum Bachelor für langjährig Erfahrene in Gesundheitsberufen verkürzt bzw. angemessen gestaltet werden kann, um die Weiterbildung attraktiver zu machen.

Wir sehen den Kreis, die Kassenärztliche Vereinigung (KV) und das Ministerium für Wissenschaft und Gesundheit in der Verantwortung im Rahmen des Sicherstellungsauftrages eine patientenorientierte Versorgung zu gewährleisten.

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Ein Austausch mit den umliegenden Kreisen Vulkaneifel, Bitburg und Cochem-Zell hat ein vergleichbar besorgniserregendes Bild in der Facharztversorgung ergeben, sodass sich die Forderungen über den Kreis Bernkastel-Wittlich hinaus auf die Region Mosel-Eifel-Hunsrück beziehen.


 

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