Dr. Felix Bohr referierte zum „Tag des Gedenkens der Opfer des Nationalsozialismus“ am 27. Januar 2022 in der Kultur- und Tagungsstätte Synagoge in Wittlich (Foto: Max Zerrahn).

Vortrag von Dr. Felix Bohr zum „Tag des Gedenkens der Opfer des Nationalsozialismus“ am 27. Januar 2022 in der Kultur- und Tagungsstätte Synagoge in Wittlich

Auf Einladung des Kulturamtes der Stadt Wittlich, des Arbeitskreises Jüdische Gemeinde Wittlich und des Emil-Frank-Instituts referierte der aus Trier gebürtige Historiker, heute Redakteur im Nachrichtenmagazin Der Spiegel, am diesjährigen „Tag des Gedenkens der Opfer des Nationalsozialismus“ in der Kultur- und Tagungsstätte Synagoge in Wittlich.

Werbung

Franz-Josef Schmit begrüßte das zahlreich erschienene Publikum und moderierte den Redner mit Informationen zur Situation in Wittlich nach 1945 an. Alliierte Militärgerichte hatten nationalsozialistische Kriegsverbrecher zu teilweise langen Haftstrafen verurteilt. Nach der Gründung der Bundesrepublik Deutschland 1949 versuchten deutsche Politiker Begnadigungen zu erwirken. In Wittlich waren 1952 145 Kriegsverbrecher in der Justizvollzugsanstalt untergebracht, für die der damalige rheinland-pfälzische Ministerpräsident Peter Altmeier Gutachten anfertigen ließ. 70 wurden ihm zur Begnadigung empfohlen. Die Haftverhältnisse in Wittlich waren wohl recht gut, da die Bevölkerung die als Kriegsverbrecher verurteilten Personen teilweise persönlich kannte, und Revanchistenvereine die Verfolgung von Kriegsverbrechern ablehnte. 1960 waren alle verurteilten Personen begnadigt und entlassen worden.

Kriegsverbrecher, die im Ausland verurteilt wurden, erfuhren diese frühen Begnadigungen nicht. Dr. Bohr schilderte das Schicksal des SS-Mannes Herbert Kappler, der als Kommandeur der Sicherheitspolizei für das Massaker in den Ardeatinischen Höhlen (Nähe Rom), wo 335 italienische Zivilisten, darunter zahlreiche Juden, von den Nationalsozialisten ermordet wurden, verantwortlich war. Trotz Interventionen der deutschen Bundeskanzler von Konrad Adenauer über Willy Brandt bis zu Helmut Schmidt begnadigten die italienischen Behörden den zu lebenslanger Haft verurteilten Verbrecher nicht. Ähnliche Umstände erlebten die „Vier von Breda“, Kriegsverbrecher, die für die Ermordung niederländischer Juden verantwortlich waren, und in den Niederlanden lebenslang inhaftiert blieben.

Bohr erklärte, warum sich Menschen wie sogar der Friedensnobelpreisträger Willy Brandt für diese Kriegsverbrecher engagierten. Es ging um einen Schlussstrich unter die Spaltung der deutschen Gesellschaft in „alte Nazis“, „Mitläufer“, „Widerstandskämpfer“ o.ä., um eine Versöhnung, ein Erreichen aller Bevölkerungsgruppen. Es ging auch darum, Revanchisten und Altnazis die Grundlage für ihren Kampf gegen den demokratischen Staat zu nehmen.

Werbung

Etliche Nachfragen aus dem Publikum beantwortete der sympathische Historiker nach seinem Vortrag und stellte sich einer interessierten Diskussion.


 

error

Gefällt Ihnen diese Seite ? Teilen Sie sie mit Ihren Freunden !